Kiel, 19.2.2019. Ein 60-jähriger Bauingenieur hat im vergangenen Juli über eine Kleinanzeige im Internet eine 19-Jährige mit einer Stellenausschreibung in seine Wohnung gelockt. Er bot der jungen Frau ein Glas Orangensaft an, in das er 1,4-Butandiol mischte. Die K.o.-Tropfen machten die 19-Jährige benommen. Anschließend verging sich der Ingenieur zweimal an der Frau. Gestern wurde ihm in Hamburg der Prozess gemacht. Im Laufe des Prozesses hatte der Angeklagte die Gabe von K.o.-Tropfen zugegeben, aber beteuert, die sexuellen Handlungen seien in beider Interesse gewesen. Die Aussage wurde vom Gericht als unhaltbar wahrgenommen und so wurde der Angeklagte wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt.
Seit 26 Jahren arbeitet das Kieler PETZE-Institut für Gewaltprävention präventiv gegen sexuellen Missbrauch sowie sexualisierte Gewalt und bietet auch Veranstaltungen für Jugendliche zum Thema K.o.-Tropfen an.
Ann-Kathrin Lorenzen, Referentin für das Thema sexualisierte Gewalt unter Drogeneinfluss:
„K.o.-Tropfen, ein Sammelbegriff für über 100 verschiedene Wirkstoffe, die ganz einfach im Internet oder im Baumarkt zu erwerben sind, werden unbemerkt verabreicht, um einen anderen Menschen in einen willen- und hilflosen Zustand zu versetzen. Das Schlimme daran ist, sie sind nicht zu identifizieren, denn sie sind geschmacks- und geruchsneutral. Außerdem werden sie häufig als Filmriss, unter dem Motto „ich habe zu viel getrunken“ bagatellisiert.
So einen hinterlistigen Plan wie in diesem Fall erleben wir leider immer wieder, auch im Freundes- und Bekanntenkreis – von den Menschen, denen man es am wenigsten zutraut. Die Gabe kann je nach körperlicher Konstitution der Person von berauschtem Zustand bis zum Tod führen.“
Unter der Wirkung von K.o.-Tropfen kommt es immer wieder zu Raub- und Sexualdelikten, auch bei Männern. Selbst der Versuch einer Verabreichung ist strafbar. In diesem Fall konnte das „Gift“ nachgewiesen werden.
„Das ist selten der Fall“, weiß Ann-Kathrin Lorenzen, „denn das Konzentrat ist im Blut nach 6-12 Stunden verschwunden. Umso wichtiger ist schnelles Handeln. Ebenfalls tückisch hierbei ist, dass keine Erinnerung beim Opfer angelegt wird und sich so an nichts erinnert werden kann, das macht es Täter*innen leicht zu behaupten, es sei einvernehmlich gewesen.“
Das PETZE-Institut empfiehlt:
„Wer den Verdacht auf K.o.-Tropfen hat (ein Zeichen hierfür können schlagartig einsetzende Schwäche, Übelkeit, Kreislaufbeschwerden oder Bewusstlosigkeit sein), vergewaltigt wurde oder den Verdacht hat, dass es passiert sein könnte, befindet sich meistens in einem körperlichen und emotionalen Ausnahmezustand. Es ist wichtig, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, bzw. der geschädigten Person sofort zu helfen. Wenn die geschädigte Person noch nicht sicher ist, ob sie eine Anzeige erstatten will, sollte sie sich dennoch an die Rechtsmedizin in Kiel, Lübeck, Flensburg oder Husum wenden, damit Beweise sichergestellt werden können und auch Jahre später noch eine Anzeige möglich ist.
Präventive Maßnahmen – egal von wem: Kein offenes Getränk annehmen, wenn man kein gutes Gefühl dabei hat. Getränke nicht unbeobachtet stehen lassen! Vorsicht mit zu viel Alkohol – viele Situationen sind viel schlechter einzuschätzen. Außerdem kann der Mischkonsum von Alkohol und Drogen zu einer Atemlähmung führen und in der Folge sogar tödlich enden. Ansonsten Bescheid wissen, aber den Spaß nicht verderben lassen.“
Auf der Webseite der PETZE können kostenlose Infomaterialien zum Thema bestellt und heruntergeladen werden. Das Land Schleswig-Holstein fördert Veranstaltung zum Thema Prävention von sexualisierter Gewalt unter Drogeneinfluss. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an:
PETZE-Institut für Gewaltprävention gGmbH
Kim Sommer
Dänische Straße 3-5
24103 Kiel
Tel.: (0431) 9 11 85
info@petze-kiel.de
www.petze-kiel.de